Work in progress - oder "wie entstehen diese Werke?"

André Seidel hat uns eingeladen, das Entstehen einiger Werke zu begleiten.  Dabei arbeitet er, wie er uns verrät, nicht in einem klassischen Atelier, sondern meist im heimischen Wintergarten. Hier blockiert er tagelang den Esstisch, sodass alle dann zusammengedrängt an einem Ende sitzen und hoffen, dass  seine Schaffensphase bald enden möge.  


Stolz

Die Arbeit an seinen  größeren Plastiken startet André Seidel meist mit einer Bleistiftskizze im Format 1:1. Das hilft später beim Modellieren, um den Überblick zu behalten, sollte  etwas "ein bissl" anders werden ,als anfangs geplant. Die  Figur "Stolz" startete mit den Grundkörpern Kugel und Zylinder. Nach dem Modellieren des Gesichts ging es ans "schlachten" oder aushöhlen, um die fürs Brennen richtige Materialstärke zu erreichen  Dieses technisch notwendige Handwerkszeug hatte er einst bei Jutta Hass gelernt. (insta: @juttahasspaperclaytoday). 

Die „Hochzeit“ von Kopf und Rumpf hat stattgefunden. Technisch war das alles ziemlich schwierig und auch schwer. Im fertigen Zustand, nach zwei Bränden, wiegt die Dame immerhin stolze 20 kg! Sie hätte dem Künstler auch ohne Haare gut gefallen, aber der wuselige Wuschelkopf ist auch ganz schön.

Schön viel Arbeit hat er auch gemacht, sowohl beim Ausstechen des Tons für die  Locken, als auch beim späteren Glasieren. Mit normalem Ton hätte das alles wohl nicht funktioniert, aber der verwendete Fibreclay sorgt für hohe Bildsamkeit bzw. Plastizität. Man kann ziemlich frei formen und biegen, ohne das es reißt oder bricht.

 

Leider stinkt er beim Brennen intensiv nach verbranntem Kunststoff. Entweder man hat tolerante Nachbarn oder eine Brennerei seines Vertrauens.

 


Tiefe

Bei dem Gemälde "Tiefe" startete die Arbeit mit dem Bespannen des Keilrahmens mit der Leinwand (die eigentlich ein Baumwollgewebe ist). Auf dem ersten Foto ist das Grundieren mit Acryl und das Anlegen des Hintergrundes mit Ölfarbe  schon passiert. Ebenso das Übertragen der Skizze auf das recht große Format mit immerhin 1,40 m x 90 cm. Auf den nächsten Fotos nimmt das Bohrgerät mit den drei Schnecken langsam Gestalt an. Die schwere Maschine wird verwendet, um Wände für Baugrubenumschließungen herzustellen. Diese werden benötigt, damit bei Kelleraushub nicht alles zusammenrutscht. Acht Stunden nach dem ersten Foto geht langsam das Licht weg, und es ist erstmal Schluss.

Ein bissl modifiziertes „Indischgelb“ wäre eigentlich ein schöner kräftiger Farbton für die Maschine gewesen, aber die viel zu flüssige Paste war nicht beherrschbar. Da André Seidel, außer beim Hintergrund, ausschließlich mit dem Spachtel arbeitet, muss die Konsistenz der Farbe passen. Also wurde aus allerlei Ocker-, Umbra- und Siennatönen sowie einem halbvertrockneten, unleserlichen Gelb alles nachgemischt. Macht eigentlich sowieso mehr Freude, wie man sieht.

 

Die Finalisierung des Bildes benötigte dann nochmal einige Stunden an späteren Tagen.